Gefrorenes Wasser hochklettern? Das ist möglich, beim Eisklettern. Diese Sportart wird in den letzten Jahren immer beliebter. Wir waren mit dem Bergführer Thomas Schiller in der faszinierenden Eiswelt des Pitztals unterwegs und sind den Eisfall hochgekraxelt.
Die Spitze des Eispickels rammt ins Eis. Es splittert glitzernde Kristalle auf den Kletterhelm, ein leichtes Knirschen ist zu hören. Die Sonne wärmt den Rücken und lässt den majestätischen Eisfall leicht türkisblau schimmern. Thomas Schiller steht am Fuße des gefrorenen Wasserfalls, der sich zwischen den Felsen in die Höhe zieht. Der Bergführer sichert und gibt von unten Anweisungen, an welcher Stelle der nächste Eispickel am besten hinein gehauen werden kann. Langsam den Fuß mit dem Steigeisen nachsetzen. Schritt für Schritt, Pickel für Pickel geht es hinauf. So wird das Eisklettern für Anfänger wie uns ganz einfach, hier in der Bergwelt des Pitztal im Herzen von Tirol.
Eiswände hochkraxeln: Eine weltweite Faszination
Sobald die Temperaturen in den Minusbereich klettern, wachsen in den Bergtälern wilde gefrorene Wassersäulen aus den Felsen. In den letzten Jahren wird das Eisklettern immer beliebter. Von den Ostalpen bis zu den Westalpen, von Charmonix am Mont Blanc bis Berchtesgaden. Nicht nur in den Alpen ist das Eisklettern an vielen Stellen möglich. In Nordamerika, Europa und Asien wird im Winter durch Eisspalten oder Eisrinnen sowie Eiswände hinauf geklettert. Wo im Sommer das Wasser zwischen den Felsen rauscht, entstehen im Winter innerhalb weniger Tage faszinierende Welten aus Eis. Die wichtigste Voraussetzung: Eine Temperatur zwischen -3 und -10 Grad. Knapp unter dem Gefrierpunkt ist das Eis perfekt zum Klettern. Auf der Suche nach neuen sportlichen Herausforderungen wurde das Eisklettern in den 1980ern immer populärer. Schon bald gründeten sich Vereine und internationale Wettkämpfe wurden an den vereisten Kletterwänden ausgetragen.
Die vereisten Kaskaden mit Pickel und Steigeisen hochzukraxeln, gilt als sehr anspruchsvolle Sportart und es muss viel beachtet werden. Wie kann man sich richtig sichern? Wie steht es um die Lawinengefahr? Wie bewegt man sich sicher am Eis? Und kann dieses überhaupt hochgekraxelt werden oder ist es zu brüchig? Dabei gibt es Unterschiede zum normalen Klettern am Felsen und auch die Ausrüstung ist besonders. Einen beeindruckenden Rekord hält der Schweizer Eiskletterer Daniel Arnold. In nur einer Stunde und drei Minuten hat er rund 300 Meter Eis erklommen. So hoch und waghalsig geht es für uns heute nicht hinaus. Wir sind mit dem Bergführer Thomas Schiller in der gefrorenen Eiswelt der Taschachschlucht unterwegs beim Eiskletterkurs für Einsteiger.
Erfahrene Bergführer an der Seite
Seit mittlerweile 15 Jahren klettert Thomas im Winter an den Eiswänden und ist seit mehreren Jahren für die Alpinschule Garmisch als Bergführer aktiv. „Also mich hat am Eisklettern schon immer fasziniert, dass man an gefrorenem Wasser klettern kann. Allein dieses Bewegen im Eis und den Rhythmus den man dafür braucht, das macht mir irrsinnig viel Spaß.“ Thomas schaut die eisige Wand hinauf. Hier haben sich lange Röhrchen und Zapfen gebildet, dort kleine Tropfen und an einer langen Stelle ist das Eis glatt und leicht blau gefroren. Da ist es am besten und sichersten zu klettern. Dieses Eis ist kompakt und Stück für Stück gefroren, dadurch ist weniger Luft eingeschlossen und es bricht nicht so leicht. „Das Eis ist gern auch mal spröde, da platzt was ab und es fallen kleinere Brocken hinunter. Deswegen ist der Helm wichtig.“, sagt Thomas. Bevor die Finger in den dicken Handschuhen bei diesen eisigen Minustemperaturen einfrieren, geht’s gleich los an den Eisfall. Doch zuerst die Ausrüstung checken.
Die richtige Ausrüstung ist das A und O
Der Helm sitzt fest, das Seil ist mit einem Achterknoten am Klettergurt befestigt. „Beim Eisklettern haben wir Eisgeräte in den Händen, die wir ins Eis hauen und uns daran hochziehen. An den Füßen haben wir auch keine Kletterschuhe wie im Sommer, sondern feste Bergschuhe mit Steigeisen.“ Diese müssen ordentlich Halt geben. Ganz schön viel Equipment das zum Eiskraxeln benötigt wird! Doch beim Kurs muss man das Material nicht kaufen, sondern leiht es sich einfach. Das macht vieles einfacher. Wer einfach mal ins Eisklettern reinschmecken will, dem empfiehlt Thomas daher zuerst einen Kurs zu machen. Auch wir machen nun unter seiner professionellen Anweisung unsere ersten Schritte das Eis hinauf. „So sollte man nur Motivation und warme Kleidung mitbringen und einfach gerne draußen sein!“
Eisklettern: Auf die richtige Technik kommt es an
Mit den Fußspitzen voran geht es mit dem Steigeisen ins Eis. Hier heißt es den perfekten Winkel zu finden, dann gibt es an der Wand den richtigen Halt und man rutscht nicht so leicht ab. Nun mit den Eispickeln in den Händen die perfekte Stelle zum Einschlagen suchen. Hier ist schon eine Mulde im Eis, das passt gut. Langsam daran hochziehen und zuerst den einen Fuß nachziehen, dann den anderen. Es geht aufwärts, toll! So schwierig ist das gar nicht. „Im Gegensatz zum Klettern am Fels im Sommer ist der Vorteil beim Eisklettern, dass man durch das Eisgerät den Griff immer in der Hand hat. Diesen kann man selber versetzen und der Griff ist auch immer gut.“, erklärt Thomas von unten mit dem Seil genau im Blick.
Atemberaubende Perspektiven in der Eiswelt
Oben angekommen ist die Aussicht auf die verzauberte Eislandschaft voll verspielter Kaskaden faszinierend. Die Schweißtropfen fließen auf der Stirn, die Muskeln sind zu spüren. Es geht wieder langsam am Seil hinunter. Puh geschafft! Wow, ein tolles Gefühl. „Wunderbar! Und war es schwer? Das Schöne ist ja, dass morgen diese Route schon wieder ganz anders aussehen kann. Das Eis verändert sich jeden Tag, das ist sehr faszinierend bei dieser Art des Kletterns!“, schwärmt unser Bergführer. Bald möchte Thomas nach Kanada oder Norwegen. Dort gebe es sehr lange Eisfälle. „Das wäre sehr interessant!“
Wir haben heute in der traumhaften Eiswelt des Pitztals erstmal klein angefangen und sind nur 15 Meter hoch gekraxelt. Es war ein großer Spaß und die Challenge Eispickel und Steigeisen immer richtig zu setzen um nicht abzurutschen war der totale Nervenkitzel. Aber durch Thomas waren wir mit seiner ganzen Erfahrungen immer bestens abgesichert und haben viel über seine Faszination des Eiskletterns gelernt. Nun geht es durch die verschneite Landschaft mit dem Seil auf den Rücken zurück zum Parkplatz. Was ein eisig-schönes Erlebnis!
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